LENNART PÅLSSON. Marriage and Divorce in Comparative Conflict of Laws. Leiden 1974. A. W. Sijthoff. LXXXVII + 345 S. Hfl. 82,00.

 

Kollisionsfällen im internationalen Eherecht kommt heute eine ständig wachsende Bedeutung zu. Das liegt daran, daß die Sachnormen der verschiedenen Rechtssysteme stark voneinander abweichen. Den Rechtsordnungen, deren Familienrecht z. T. noch direkt auf das kanonische Recht verweist, stehen Systeme gegenüber, die den laizistischen Standpunkt nicht minder ausschließlich vertreten. Ferner nehmen Sachverhalte mit Berührung zur Dritten Welt zu, denen „conflits de civilisations" zugrundeliegen.1 Hinzu kommt, daß das Bestehen einer Ehe häufig als Vorfrage im Rahmen anderer Rechtsverhältnisse zu prüfen ist, so z. B. für die Ehelichkeit des Kindes, bei Renten- und Versicherungsansprüchen.2 Die Vereinheitlichung des Internationalen Privatrechts schließlich, welche die Probleme lösen könnte, droht durch die Fülle der Initiativen verschiedenster Institutionen nur neue Kollisionen heraufzubeschwören, nämlich solche von Staatsverträgen.3

    Bei dieser Rechtslage ist das Erscheinen des umfassenden Werks von Pålsson — der bereits auf diesem Gebiet durch eine Monographie hervorgetreten ist4 — sehr zu begrüßen, das eine klare Bestandsaufnahme auf breiter rechtsvergleichender Basis gibt. Es ist auf 11 Kapitel geplant, von denen der vorliegende Band die ersten 6 umfaßt, nämlich den Allgemeinen Teil des Internationalen Eherechts (Methode, Quellen und allgemeine Fragen), sowie das Verlöbnis, den Begriff der Ehe und die Form der Eheschließung. Was die Methode angeht, so hatte einst Rabel seine großangelegte Darstellung auf einer vergleichenden Zusammenschau der Sachnormen aufgebaut. Ehrenzweig und der Rezensent hatten sich dagegen das viel bescheidenere Ziel gesteckt, die „operative rules" der Praxis vor dem Hintergrund einer bestimmten Rechtsordnung (nämlich der amerikanischen) zu beschreiben.5 Länderberichte stehen ferner im Vordergrund von Svenné Schmidts Darstellung des internationalen Scheidungs- und Ehetrennungsrechts.6 Pålsson kehrt zu Rabel zurück: Er abstrahiert von den einzelnen Systemen, deren Lösungen in Gesetzgebung und Rechtsprechung er unter rechtsvergleichenden Gesichtspunkten ordnet, wobei er die Argumente, diefür diese Lösungen vorgetragen werden, kritisch sichtet.7 Herangezogen

 

1 Mercier, Conflits de civilisations et droit international privé (1972).

2 Vgl. Svenné Schmidt, The Preliminary Question and the Question of Substitution in Conflict of Laws: Scand. St. L. 12 (1968), 91 ff.

3 Vgl. Majoros, Systeme der „Bilateralisation" von multilateralen Konventionen, ZfRvgl. 1973, 4 ff., 10 und passim.

4 Pålsson, Haltande äktenskap och skilsmässor (1966).

5 Ehrenzweig/Jayme, Private International Law II (Leiden 1973).

6 Svenné Schmidt, International skilsmisse- og separationsret (1972), besprochen von Pålsson, Svensk Juristtidning 1973, 406 ff.

7 Der Autor beklagt gelegentlich den Mangel an statistischen und rechtstatsächlichen Informationen (z. B. S. 43), wobei allerdings der ausländische Leser mit besonderem Interesse vernimmt, daß zur Vorbereitung der schwedischen Gesetzgebung gerade auch solche Daten herangezogen wurden. Einige Ansätze finden sich neuestens bei Ansay/Gessner, Gastarbeiter in Gesellschaftund Recht (1974). 

102 Erik Jaymewerden — was besonders hervorhebenswert ist — die Rechte der ganzen Welt, soweit sie zugänglich sind. Auf diese Basis stützen sich dann wohl abgewogene Stellungnahmen und Vorschläge, von denen einige hier besprochen werden sollen.
    Im Bereich der allgemeinen Fragen geht der Verfasser ausführlich auf die Vorzüge und Nachteile des Staatsangehörigkeits- und Wohnsitzprinzips ein, um dann vor allem Kompromißmöglichkeiten zwischen beiden Systemen zu erörtern. Er neigt jedoch zu einer vorsichtigen Bevorzugung territorialer Anknüpfungsmomente, insbesondere des gewöhnlichen Aufenthalts, zumal sie häufiger zur Anwendung der lex fori führen (S. 49 f.).8 Der Hauptgesichtspunkt im internationalen Eherecht scheint mir jedoch etwas zu kurz zu kommen, nämlich die an den Interessen der Parteien orientierte, konkrete Entscheidungsharmonie. Angehörigen aus den Staaten des Staatsangehörigkeitsprinzips nützt eine Entscheidung im Wohnsitzstaat wenig, wenn die Anerkennung in ihrem Heimatstaat gefährdet ist, weil das Gericht sein eigenes Recht angewendet hat. Häufig ist aber die Einhaltung der Voraussetzungen des ausländischen Rechts nicht schwierig. Deshalb ist z. B. die Zivilkammer mit allgemeiner Auslandszuständigkeit des Hamburger Landgerichts dazu übergegangen, ausländisches Recht in den Gründen der Eheurteile selbst dann zu berücksichtigen, wenn deutsches Recht anwendbar war.9 Das alles spricht für neue Techniken im internationalen Eherecht. Die klassische Verweisungsregel, die besagt, ob ausländisches oder inländisches Recht anwendbar ist, stellt nur eine Möglichkeit der Rücksichtnahme auf ausländisches Recht dar. Dieses kann auch in Betracht gezogen werden im Rahmen inländischer Sachnormen, als „datum" bei der Konkretisierung inländischer Begriffe,10 oder im Bereich der internationalen Zuständigkeit.11 Das bedeutet zugleich, daß die Grenzen zwischen Internationalem Privatrecht und Internationalem Verfahrensrecht als fließend angesehen werden müssen; sachrechtsbezogene ausländische Verfahrensnormen können herangezogen werden.12 Schließlich zeigt der Blick auf das anglo-amerikanische Kollisionsrecht, daß für die Bestimmung des Schwerpunkts eines Kollisionsfalles die jurisdiktionelle Methode ebenbürtig neben der verweisungsrechtlichen steht. Wenn man also ein Desiderat für dennächsten Band hätte, so wäre es die weitgehende Einbeziehung des internationalen Verfahrensrechts, obgleich die Fülle des Materials nur mit großer Anstrengung zu bewältigen ist.
    Was das Domizilprinzip angeht, so stellt der Verfasser zutreffend fest, daß die Schwächen des Staatsangehörigkeitsprinzips (doppelte und gemischte Staatsangehörigkeit, Staatenlosigkeit) dort in gleicher Weise auftreten können (S. 49 Nr. 98). Man könnte hinzufügen, daß das Domizilprinzip in besonderer Abhängigkeit vom Ausländerpolizeirecht steht. Der

 

8 Vgl. aber auch Cavers, „Habitual Residence": A Useful Concept?, The American University Law Review 21 (1972) 475 ff.

9 Vgl. Luther, Kollisions- und Fremdenrechtsanwendung in der Gerichtspraxis,RabelsZ 37 (1973), 660 ff., 670.

10 Vgl. z. B. Lipstein, Comment, Cambridge Law Journal 26 (1968) 32 (Adoptionsfall); vgl. allgemein Ehrenzweig, Conflicts in a Nutshell (3. Aufl. 1974), S. 11 f.; 105 f.

11 Vgl. z. B. zur Scheidung einer kalifornisch-mexikanischen Ehe: LG Stuttgart, 17.10.1972, FamRZ 1973, 36.

12 Vgl. z. B. LG Hamburg, 24.7.71, FamRZ 1972, 40.

 

Anm. av Lennart Pålsson: Marriage and Divorce 103frei gewählte gewöhnliche Aufenthalt, der die engste Beziehung zu einer Rechtsordnung bezeichnet, ist m. E. manchmal noch wirklichkeitsferner als ähnliche Gedanken beim Staatsangehörigkeitsprinzip. Denn die fremdenrechtlichen Regelungen über den Aufenthalt von Ausländern, über ihre Ausweisung und „Abschiebung", determinieren nicht selten den gewöhnlichen Aufenthalt.13 Gerade im internationalen Familienrecht setzt das personenbezogene Domizilprinzip eine weltweite Reise- und Niederlassungsfreiheit voraus, die selbst für Inländer nicht in vollem Maß gegeben ist.14
    Der besondere Teil des Werks, soweit er im 1. Band vorliegt, gibt eine erschöpfende Darstellung der Einzelfragen. Die Fülle des Materials ist einerseits klar auf die wichtigsten Rechtsfragen hin geordnet, andererseitsist keine Mühe im Detail gescheut. Dabei ist es dem Verfasser gelungen, rechtsvergleichende Typologien zu entwickeln, mit deren Hilfe die Wissenschaft künftig die Probleme angehen kann. Die Rechtsprechung ist voll verwertet, was es ermöglicht, die Fragen ohne Umweg sicherer in den Griff zu bekommen. So sieht Pålsson die Bestimmung des griechischen Rechts, welche die religiöse Eheschließung bei Auslandsehen von Griechen vorschreibt, als die Form betreffend und somit als Ausnahme von der Regel „locus regit actum" an (S. 233). Besonders überzeugend ist der häufige Hinweis auf den favor matrimonii (S. 211, 214 ff., 257, 310, 314), mit dessen Hilfe sich Übereinstimmungen trotz verschiedener oder gar unvereinbarer theoretischer Ansätze ergeben.
    Insgesamt handelt es sich um ein Standardwerk, das die Summe vieler Erfahrungen auf diesem wichtigen Rechtsgebiet zieht und zu welchem Autor, Praxis und Wissenschaft gleichermaßen zu beglückwünschen sind.
Erik Jayme

 

13 Vgl. Jayme, Elterliche Gewalt nach Scheidung einer deutsch-italienischen Ehe und Ausweisung des italienischen Vaters aus der BRD, Zentralblatt f. Jugendrecht u. Jugendwohlfahrt 1972, 284 ff., 286.

14 Deshalb entstehen Wechselwirkungen zwischen Internationalem Familienrecht und völkerrechtlichem Paßrecht; vgl. z. B. Jayme/Reitz, Elternstreit und internationales Paßrecht bei deutsch-syrischer Ehe, Zentralblatt f. Jugendrechtu. Jugendwohlfahrt 1974, 59 ff.; vgl. allgemein Williams, British Passports and the Right to Travel, Int. Comp. L. Qu. 23 (1974), 642 ff.